Weiterführende Schule für Weingarten

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Erstellt von Brigitte am 19.01.2021 um 13:41 Uhr

Forderung: eine attraktive Gemeinschaftsschule mit Gymnasialzug für Weingarten (alternativ ein Gymnasium), mit Musikprofil und Instrumentalunterricht,
in Zusammenarbeit mit Stadttheater, Musikhochschule, Pädagogischer Hochschule

Ein Stadtteil mit ca. 15000 Bewohnern, in dem die meisten Grundschüler von Freiburg leben, hat nur eine Grundschule mit Förderschule und nach fast 60 Jahren noch keine weiterführende Schule – wie kann das sein?

Allein in Weingarten-West leben mehr Kinder und Jugendliche als im gesamtstädtischen Vergleich. Menschen aus 74 verschiedenen Nationen (ohne Flüchtlinge) leben in Weingarten, nur rd. 50 % Deutsche haben keinen Migrationshintergrund. In Weingarten leben rd. 10,5 % Arbeitslose (rd. 4,3 % im Freiburger Durchschnitt), mit rd. 25 % die meisten Leistungsempfänger (rd. 8 % im Freiburger Durchschnitt) und die meisten alleinerziehenden Hilfebedürftigen. Jeder fünfte Haushalt in Weingarten ist eine Bedarfsgemeinschaft (Quelle Rahmenplan Soziale Stadt Weingarten-West 2015, Stadtplanungsamt - online unter Stadt Freiburg/ Planen, Bauen../ Stadtplanung/ Stadterneuerung/Soziale Stadt Weingarten-West/Rahmenplan).

In Weingarten häufen sich Benachteiligungen und Belastungen, die sich auf die Lebensbedingungen, Lebenschancen und das soziale Klima auswirken. Haushalte, die es sich leisten können, ziehen weg, meist im Interesse der Kinder, weil die schulische und die soziale Situation als problematisch erachtet wird. Schulsegregation erweist sich immer deutlicher als ernster Gefährdungsfaktor für die kulturelle und soziale Integration. Die große Sorge ist, dass durch den geplanten Stadtteil Dietenbach mit vielfältiger qualitativ hochwertiger Infrastruktur den Stadtteil stabilisierende Familien nach Dietenbach ziehen, so dass Weingarten immer mehr ausblutet und in einen Abwärtssog gerät, wie es sich schon seit der Bebauung des Rieselfeldes gezeigt hat.

Aus diesen Gründen wurde Weingarten-West in das Programm „Soziale Stadt“ aufgenommen mit „Schwerpunkt der Verbesserung kinder-, familien- altersgerechter und weiterer sozialer Infrastruktur.“ Zahlreiche der folgenden Zitate aus dem Rahmenplan weisen auf die hohe Bedeutung einer Schule vor Ort hin: „Die Schule soll sich zu einem quartiersbezogenen Kommunikations- und Begegnungsraum entwickeln.“ „Gerade Kinder in benachteiligten Quartieren benötigen besondere Rahmenbedingungen für einen positiven Bildungsverlauf. Hierfür ist ein räumliches Angebot für Förderangebote in den Bereichen Sport und Kultur erforderlich.“ „In Gebieten des Programms „Soziale Stadt“ sind Schulen nicht nur Orte der Bildung sondern auch der Integration. Die Schule hat in den Lebenswelten der Schülerinnen und Schüler eine wichtige Bedeutung.“
„Bildung als Teil der Stadtteilentwicklung erfordert lebenswerte Quartiere sowie funktionierende und gemischte Strukturen.“ „Die Bildungsorte (Schule, Kindertagesstätten, Schülerbücherei, Volkshochschule etc.) sind unverzichtbare Akteure in der Stadtteilentwicklung. Schulen, Sporthallen und Schulhöfe werden auch für außerschulische Nutzungen wie Sportvereine, Musikschulen, Kunstangebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene genutzt. Neben einer besseren Auslastung der Infrastruktur können hier auch eine Profilbildung der Schule und Strahlkraft in den Stadtteil hinein entstehen.“

All dies hat die Bürgerinitiative „Notwendige Bildung – weiterführende Schule für Weingarten“ seit mehr als 2 Jahren gefordert und dafür ca. 1100 Unterschriften gesammelt (leider durch Corona gestoppt).
Beim Stadtteilbesuch des Oberbürgermeisters hat das eindrucksvolle Votum der Bewohner für eine Gemeinschaftsschule oder ein Gymnasium gezeigt, dass eine weiterführende Schule dringend erforderlich ist. Die Corona-Pandämie hat wie in einem Brennglas die zuvor schon untragbaren Zustände mit schlimmen Folgen vor allem für benachteiligte Kinder verschärft gezeigt. Es ist dringend Abhilfe geboten.

Doch wo bleiben die Konsequenzen von Politik und Verwaltung im Hinblick auf die geforderte Schule? Vorschlag der Verwaltung: Statt einer Schule im Stadtteil sollen Sozialarbeiter eingesetzt werden, um in aufnehmenden Schulen Vorurteile gegenüber den Schülern aus Weingarten abzubauen.
Von der SPD-Fraktion wurden schulische Leuchttürme für Tuniberg, Dietenbach, Bertholdgymnasium beworben: „Wo sollen wir Leuchttürme machen, wo lohnt es sich, dass wir uns anstrengen?“ In Weingarten lohnt es offensichtlich nicht, das hat die Abstimmung im Rat gezeigt. Für Weingarten formuliert der SPD-Sprecher außerdem: „Aus sozialpolitischem Interesse ist es besser, die Schüler aus dem Stadtteil herauszuholen.“
Haben die Fraktionen, hat die Verwaltung Weingarten bereits aufgegeben? Lediglich die Fraktion „Eine Stadt für alle hat einen Antrag für ein Gymnasium in Weingarten eingebracht.

Was ist der Politik, was der Verwaltung das Votum und Engagement der Bewohner Weingartens W E R T ?
Ist der Rahmenplan „Soziale Stadt“ Weingarten-West belanglos? Hat die Stadt gegenüber den Geldgebern Bund und Land nicht die Verpflichtung, folgender Zielvorgabe nachzukommen: „Die Schulen und Kitas haben im Stadtteil eine Schlüsselfunktion, folgerichtig werden diese sukzessive ausgebaut und qualitativ hochwertig gestaltet.“?

Vertreter der Verwaltung berufen sich auf die „jetzt teuer sanierte schöne Grundschule“, doch dabei kann man es nicht bewenden lassen. Die „durchgängige Sprachbildung“, welche die Stadt propagiert, kann nicht ausgerechnet in Weingarten mit seinen vielen armen Schulkindern, vielfach mit Sprachproblemen, nicht zuletzt wegen der Klassenzusammensetzung mit den vielen Kindern aus Migrantenfamilien, auf halbem Weg stecken bleiben! Eine teure Grundschule ist auch für den neuen Stadtteil geplant und ganz selbstverständlich eine Gemeinschaftsschule. Doch warum sollten die älteren Kinder aus Dietenbach in der Anfangszeit (mit einer Grundschule in der ersten Bauphase) nicht eine weiterführende Schule im nahen Weingarten besuchen und da außerdem für eine gesunde Durchmischung sorgen? Wohnungssuchende Familien werden trotzdem nach Dietenbach ziehen, wenn für ihre Kinder eine attraktiv ausgestattete Gemeinschaftsschule (oder ein Gymnasium) in Weingarten bereit steht, an der alle Schulabschlüsse möglich sind.

Eine Schule mit Musikprofil und Instrumentalunterricht (den die meisten Eltern in Weingarten ihren Kindern nicht bieten können), mit Schultheater und Konzerten, Tanz, bildender Kunst mit vielen Erfolgserlebnissen wird nicht nur das Selbstwertgefühl der Kinder aus Weingarten stärken, sondern auch Kinder aus anderen Stadtteilen motivieren, nach Weingarten zu kommen. Und die Schule sollte auch für Erwachsene geöffnet sein: für Vorträge, Kurse, Weiterbildung, Kulturangebote. Diese Vorstellungen der Bürgerinitiative von der Strahlkraft einer Schule in den Stadtteil hinein, die Identität mit diesem möglich macht, wurden von Schulbürgermeisterin Stuchlik und Schulamtsleiter Maier für Weingarten als nicht von Belang abgetan, jedoch bei der Präsentation des geplanten Schulcampus Dietenbach als Bereicherung für den Stadtteil hoch gelobt. Diese riesige Diskrepanz der Behandlung Weingartens gegenüber anderen Stadtteilen seitens der Verwaltung und der Politik immer wieder festzustellen zu müssen, ist sehr bitter und frustrierend und der Stadt Freiburg unwürdig.

Wir brauchen dringend die Solidarität der Stadtgesellschaft! Bitte helfen Sie mit Ihrer Stimme, dass der benachteiligte Stadtteil Weingarten, der viele Lasten der Gesamtstadt trägt, endlich eine weiterführende Schule bekommt.

Kommentare (13)

Brigitte

ID: 7.545 27.01.2021 22:19

Hallo Schneeball, danke für den Kommentar und den Hinweis auf die Musikschule. Daran habe ich natürlich auch gedacht, meine für die Zusammenarbeit erwähnten Institutionen schließen andere Möglichkeiten der Kooperation keineswegs aus.

Uta

ID: 7.147 27.01.2021 04:55

Zu meinem Kommentar von gestern: Es ist sogar noch viel schlimmer: Nur 16,5 Prozent aller Kinder aus Weingarten machen Abitur, während es in der Wiehre über 70 Prozent sind!

Beate

ID: 7.043 26.01.2021 20:09

Wäre ein guter Schritt,um der zunehmenden sozialen Ungleichheit entgegenzuwirken.Alle wissenschaftliche Erkenntnisse der letzten Zeit sprechen dafür!

Schneeball

ID: 7.015 26.01.2021 18:19

Super Idee. Wenn die Schule einen musikalischen Schwerpunkt haben soll, dann wäre es gut, auch die Musikschule Freiburg als Partner in die Planungen einzubeziehen. Hier gibt es bereits sehr viel Erfahrung mit Schulkooperationen,

gicienne

ID: 7.012 26.01.2021 18:13

Weingarten braucht bestimmt eine weiterführende Schule.

Rolf

ID: 6.996 26.01.2021 17:29

Nicht jeder Stadtteil braucht alles, aber gerade Weingarten braucht eine weiterführende Schule - nicht aber ein Gymnasium, das die anderen Kinder nach den 4. Klasse wegschickt, sondern eine Gemeinschaftsschule für alle Kinder und Jugendlichen als Bildungs- und Begegnungszentrum des Stadtteils.

Chris

ID: 6.916 26.01.2021 14:37

Wenn der Bildungsauftrag ernst genommen wird, muss Weingarten endlich ein Gymnasium bekommen.

Frank

ID: 6.875 26.01.2021 12:26

Der richtige Platz für ein neues Gymnasium ist hier und nicht am Tuniberg!

Uta

ID: 6.850 26.01.2021 11:01

Weingarten ist der Stadtteil mit den meisten Grundschulkindern in Freiburg, aber es gibt nicht eine einzige weiterführende Schule ab Klasse 5. !!! Wer wundert sich da eigentlich, dass nicht einmal jedes 2. Kind in Weingarten Abitur macht, während es in der Wiehre 7 von 10 Kindern sind ??? Das Argument, die Kinder können ja in einen anderen Stadtteil fahren, ist zynisch und unfassbar ausgrenzend. So wird Zukunft vergeigt. Diese Strategie verkennt zudem sämtliche Erkenntnisse der Bildungsforschung. Niedrigschwellige Zugänge braucht es gerade für Kinder aus ökonomisch benachteiligten Familien vor Ort und entlang der Bildungskette - nicht nur für Kinder bis zum 10. Lebensjahr. In Weingarten eine weiterführende Schule mit vielseitigen Angeboten als Leuchtturmprojekt zu bauen, wäre die beste Zukunftsinvestition für Freiburg.

loyalski

ID: 6.625 25.01.2021 11:19

Es muss Schluss damit sein, dass die "besseren" Viertel der Stadt die "besten" Schulen bekommen – und die Kinder aus den benachteiligten Stadtgebieten zu Fahrschüler*innen werden oder sich mit unzureichender Förderung begnügen müssen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: In Freiburg muss jedes Kind in "seinem" Stadtteil ein optimales Bildungsangebot bekommen. Die Alternative: "Ein Gymnasium für Weingarten" ist mir nicht genug. Mit einer Oberstufe wäre eine Gemeinschaftsschule mehr als nur ein weiteres herkömmliches Gymnasium. Die Gründung der Staudinger-Gesamtschule liegt jetzt über 50 Jahre zurück. Wir brauchen einen neuen Aufbruch für eine inklusive Beschulung in integrativen Gemeinschaftsschulen für alle und in allen Stadtteilen, nicht nur in Weingarten, sondern beispielsweise auch in Dietenbach.