Ein Stadtteil mit ca.15000 Bewohnern, in dem die meisten Grundschüler von Freiburg leben, hat nur eine Grundschule mit angegliederter Förderschule und nach fast 60 Jahren noch keine weiterführende Schule - das ist für viele Menschen aus Freiburg und darüber hinaus unvorstellbar.
In Weingarten häufen sich Benachteiligungen und Belastungen, die sich auf das soziale Klima und die Lebensbedingungen und Lebenschancen der Menschen auswirken. Familien, die es sich leisten können, ziehen weg, meist im Interesse der Kinder, weil die schulische und die soziale Situation als problematisch erachtet wird. Schulsegregation erweist sich immer deutlicher als ernster Gefährdungsfaktor für die kulturelle und soziale Integration. Die große Sorge der Bürgerinitiative Bildung ist, dass den Stadtteil stabilisierende Familien in den neuen Stadtteil Dietenbach mit seiner vielfältigen hochwertigen Infrastruktur abwandern, wie es sich schon durch die Bebauung des Rieselfeldes angedeutet hat. Wir fordern für eine bessere Lebensqualität in Weingarten die dringende Nachbesserung der schulischen und kulturellen Infrastruktur, um eine drohende Abwärtsspirale zu verhindern.
• Dies hat die Bürgerinitiative „Notwendige Bildung - weiterführende Schule für Weingarten“ seit mehr als drei Jahren angemahnt und dafür ca.1100 Unterschriften gesammelt (und wurde leider durch Corona gestoppt).
• Beim Stadtteilbesuch des Oberbürgermeisters hat das eindrucksvolle Votum der Bewohner für eine Gemeinschaftsschule oder ein Gymnasium gezeigt, dass eine weiterführende Schule gefordert wird.
• Im Jahr 2006 wurde Weingarten-West in das Programm „Soziale Stadt“ aufgenommen mit dem Ziel „Schwerpunkt der Verbesserung kinder-, familien- altersgerechter und weiterer sozialer Infrastruktur“.
Zahlreiche Zitate aus dem Rahmenplan „Soziale Stadt - Weingarten-West“ weisen auf die hohe Bedeutung einer Schule für den Stadtteil Weingarten hin: „Bildung als Teil der Stadtteilentwicklung erfordert lebenswerte Quartiere sowie funktionierende und gemischte Strukturen.“ „Gerade Kinder in benachteiligten Quartieren benötigen besondere Rahmenbedingungen für einen positiven Bildungsverlauf. Hierfür ist ein räumliches Angebot für Förderangebote in den Bereichen Sport und Kultur erforderlich“.
Die Corona-Pandemie hat wie in einem Brennglas die zuvor schon untragbaren Zustände mit schlimmen Folgen vor allem für benachteiligte Kinder verschärft gezeigt. Es ist dringend Abhilfe geboten.
Doch wo bleiben die Konsequenzen von Politik und Verwaltung im Hinblick auf die geforderte Schule? Der Vorschlag der Verwaltung, statt der Verbesserung der Infrastruktur durch eine weiterführende Schule im Stadtteil, die den Jugendlichen wirkliche Chancen bietet, Sozialarbeiter einzusetzen, die in aufnehmenden Schulen Vorurteile gegenüber den Schülern aus Weingarten abbauen sollen, ist nicht akzeptabel.
In der Gemeinderatssitzung über den Standort eines neu zu bauenden Gymnasiums wurden von der SPD-Fraktion schulische Leuchttürme für Tuniberg, Dietenbach, Bertholdgymnasium beworben: „Wo sollen wir Leuchttürme machen, wo lohnt es sich, dass wir uns anstrengen?“ In Weingarten lohnt es offensichtlich nicht, das hat die Abstimmung im Rat gezeigt. Für Weingarten formuliert der SPD-Sprecher außerdem die diskriminierende und für mich schmerzliche Aussage: „Aus sozialpolitischem Interesse ist es besser, die Schüler aus dem Stadtteil herauszuholen.“
Haben die Fraktionen, hat die Verwaltung Weingarten bereits aufgegeben? Lediglich die Fraktion „Eine Stadt für alle“ hat einen Antrag für ein Gymnasium in Weingarten eingebracht, unterstützt durch eine einzige Stimme der Grünen.
Was ist der Politik, was der Verwaltung das Votum und Engagement der Bewohner Weingartens WERT?
Ist der Rahmenplan „Soziale Stadt Weingarten-West“ belanglos? Hat die Stadt gegenüber den Geldgebern Bund und Land nicht die Verpflichtung, folgenden Zielvorgaben nachzukommen: „Die Schulen und Kitas haben im Stadtteil eine Schlüsselfunktion, folgerichtig werden diese sukzessive ausgebaut und qualitativ hochwertig gestaltet“ und „Die Schule soll sich zu einem quartiersbezogenen Kommunikations- und Begegnungsraum entwickeln“. Wie soll dies funktionieren, wenn nach den vier Grundschuljahren im Stadtteil alles wegbricht und gar keine weiterführende Schule existiert?
Vertreter der Verwaltung berufen sich auf die „jetzt teuer sanierte schöne Grundschule“, doch dabei kann man es nicht bewenden lassen. Die „durchgängige Sprachbildung“, welche die Stadt propagiert, darf nicht ausgerechnet in Weingarten mit seinen vielen armen Schulkindern, vielfach mit Sprachproblemen, bedingt auch durch die Zusammensetzung der Klassen mit vielen Kindern aus nicht oder fehlerhaft Deutsch sprechenden Elternhäusern, auf halbem Weg stecken bleiben! Eine teure Grundschule ist auch für den neuen Stadtteil geplant und ganz selbstverständlich eine Gemeinschaftsschule. Doch warum sollten die Kinder aus Dietenbach nach der Grundschule nicht eine weiterführende Schule im nahen Weingarten besuchen und hier auch für die erforderliche Durchmischung sorgen? Wohnungssuchende Familien werden trotzdem nach Dietenbach ziehen, wenn für ihre Kinder der Besuch einer hochwertig ausgestatteten Gemeinschaftsschule mit Gymnasialzug, oder alternativ eines Musikgymnasiums in Weingarten, an einem attraktiven Standort im Eingangsbereich des Dietenbachparks, nahe Grundschule, Abenteuerschule, Jugendzentrum und Fachhochschule möglich ist.
*Mein Vorschlag trägt zu einem zukunftsfähigen Freiburg bei, weil ….
eine Schule mit Musikprofil und Instrumentalunterricht - den die meisten Eltern in Weingarten ihren Kindern nicht bieten können - in Zusammenarbeit mit Stadttheater und Musikhochschule viele Erfolgserlebnisse möglich macht, die nicht nur das Selbstwertgefühl der Kinder und Jugendlichen aus Weingarten stärken, sondern auch Kinder aus anderen Stadtteilen motivieren wird, nach Weingarten zu kommen. Die Öffnung der Schule für alle Generationen wird für Begegnung der vielen unterschiedlichen Nationalitäten bei Kultur- und Weiterbildungsangeboten, Kursen, Vorträgen und auch für die notwendige politische Bildung sorgen (Wahlverhalten in Weingarten - die Quittung für Nichtbeachtung).
Weitere Zitate aus dem Rahmenplan weisen auf die Vorteile für Freiburg hin: gesellschaftlicher Zusammenhalt durch Bemühen um Chancengleichheit und Aufheben von Benachteiligungen vernachlässigter Stadtteile, Identifikation der Menschen mit ihrem attraktiveren, lebenswerten Stadtteil.
„In Gebieten des Programms „Soziale Stadt“ sind Schulen nicht nur Orte der Bildung sondern auch der Integration. Die Schule hat in den Lebenswelten der Schülerinnen und Schüler eine wichtige Bedeutung.“
„Die Bildungsorte (Schule, Kindertagesstätte, Schülerbücherei, Volkshochschule etc.) sind unverzichtbare Akteure in der Stadtteilentwicklung. Schulen, Sporthallen und Schulhöfe werden auch für außerschulische Nutzungen wie Sportvereine, Musikschulen, Kunstangebote für Kinder, Jugendliche und
Pit
... neben allem Genannten ist noch ein Aspekt zu bedenken: die Wirtschaft beklagt den immer weiter steigenden Arbeitskräftemangel. Statt in Asien Leute anzuwerben, sollte das Potential, das im eigenen Land - auch in Weingarten! - steckt, genutzt werden, indem man benachteiligten Kindern und Jugendlichen eine optimale Förderung und Bildung angedeihen lässt, um sie auch dafür zu qualifizieren und echte Chancengleichheit zu gewährleisten.
Da der Schul-Ringtausch in der Oberau gerade gescheitert ist, kommt erneut der alte Gemeinderatsbeschluss zur baulichen Erweiterung des BGs statt einer weiterführenden Schule in Weingarten (die man sich durchaus auch als Zweigstelle z.B. des Kepler-Gymnasiums vorstellen könnte) auf die Tagesordnung. Hier bietet sich die neue Chance, diese Fehlentscheidung (noch mehr Schulkonzentration im Freiburger Osten zulasten der vernachlässigten 'alten' Stadtteile im Westen) zu korrigieren! Mehrkosten dafür müssen als Ausgleich für jahrzehntelange Vernachlässigung und wegen der besonderen sozialen Verantwortung der Gesamtstadt akzeptiert werden!
Barbara
Als Mitarbeiterin in einer sozialen Institution in der Krozingerstraße erlebe ich bei vielen Weingartener Bürgerinnen und Bürgern leider genau diese Stimmung: Dass sie sich nicht wahrgenommen und wertgeschätzt fühlen. So ein Bildungsort im Quartier über die reine Beschulung hinaus kann diesen Menschen mehr Identifizierung und Perspektive geben. Es wäre ein Gewinn für GANZ Freiburg. Vielen Dank für diesen Beitrag!
sandra
Defintiv wichtig! Offensichtlich wird dieser sehr kinderreiche Stadtteil einfach weiterhin vergessen und hintangestellt- es sind ja "nur" die Kinder manchmal bildungsferner Eltern. Aber genau hier sollte man ansetzen und Möglichkeiten schaffen um ein vorankommen zu ermöglichen! Ich bin selbst in "Ha-Wei" aufgewachsen. Es wird um so schwerer, wenn man auf der weiterführenden Schule dann als einzige/r aus dem "Ghetto" kommt. Nicht nur weil es Freundschaften zerreist oder die Neubildung verhindert weil die Wege weit sind und die Zeit knapp!
Brigitte
Ergänzung des Vorschlags: "Die Bildungsorte sind unverzichtbare Akteure in der Stadtteilentwicklung. Schulen, Sporthallen und Schulhöfe werden auch für außerschulische Nutzungen wie Sportvereine, Musikschulen, Kunstangebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene genutzt. Neben einer besseren Auslastung der Infrastruktur können hier auch eine Profilbildung der Schule und Strahlkraft in den Stadtteil hinein entstehen."
Die Vorstellungen der BI von der Strahlkraft einer Schule in den Stadtteil wurden beim Besuch im Rathaus von Schulbürgermeisterin und Schulamtsleiter für Weingarten als nicht von Belang abgetan, jedoch bei der Präsentation des Schulcampus Dietenbach exakt alle unsere Vorschläge als Bereicherung für den geplanten Stadtteil hochgelobt. Diese riesige Diskrepanz der Behandlung Weingartens gegenüber anderen Stadtteilen seitens Verwaltung und Politik immer wieder feststellen zu müssen, ist sehr bitter und frustrierend und der Stadt Freiburg unwürdig.
Wir brauchen deshalb die Solidarität der Stadtgesellschaft.
Bitte helfen Sie mit, dass der benachteiligte Stadtteil Weingarten, der viele Lasten der Gesamtstadt trägt, endlich die seit langem dringend benötigte weiterführende Schule erhält.
BI Bildung für Weingarten